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4. bis 8. Juli 2022: Soziale Woche in der ÖS

    

 

Wenn der Staat versagt – Einblicke in die Soziale Woche
„Viel vergeben, aber nichts vergessen“ - so lauteten die Worte des 56-jährigen Harry Wörz, einem der bekanntesten deutschen Justizopfer. Zwanzig Jahre lang kämpfte der ehemalige Hausinstallateur gegen den Staat, für seine Freiheit und vor allem für Gerechtigkeit.  Seine Geschichte war einer der Schwerpunkte unserer sozialen Woche an der KS1. Zum allerersten Mal lernten wir ihn durch die Dokumentation „Skandal: große Affären in Deutschland: Der Fall Harry Wörz“ kennen, welche seine tragische Vergangenheit widerspiegelte. Zu diesem Zeitpunkt hätte niemand von uns ahnen können, dass Harry Wörz uns im Laufe der sozialen Woche besuchen würde und wir die Chance bekämen, die bisher ungeklärten Fragen persönlich zu stellen.  
Um uns auf diese einmalige Gelegenheit vorzubereiten, fanden wir uns am Montag, dem 04.07.2022 in Sechsergruppen zusammen und begannen, uns intensiv mit ihm und seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Wir betrieben weitere Recherchearbeiten, sahen uns Dokumentationen und Reportagen über den Fall Harry Wörz an und schrieben die bisher ungeklärten Fragen zusammen.

    

Am darauffolgenden Tag um 09:30 Uhr trafen wir uns mit Herrn Wörz. Zu Beginn erzählte er uns detailliert, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass man ihn an dem versuchten Totschlag an seiner Exfrau Andrea Wörz bezichtigte und für 4 Jahre zu Unrecht inhaftierte.  
Mithilfe seiner umfangreichen gerichtlichen Akte zeigte er uns, wie im Prozess die Pforzhei-mer Polizei und die Staatsanwaltschaft bewusst wichtige Daten der schicksalhaften Nacht am 29. April 1997 zuungunsten von Herrn Wörz abänderten und wegließen, der daraufhin seine Haftstrafe antrat und die nächsten 4 Jahre seines Lebens hinter den Gittern des Heimsheimer Gefängnisses verbringen musste. Das war nur der Anfang des langen Leidens-weges von Harry Wörz. Auch während seiner Zeit im Gefängnis hörte er nicht auf zu kämpfen, sortierte ständig seine Akten, schrieb sie immer wieder zusammen und suchte tagtäglich in den Akten nach Beweisen für seine Unschuld.
Nach den 4 Jahren rollte man das Gerichtsverfahren erneut auf, da zum ersten Mal ein Richter die ungenaue und widersprüchliche Polizeiarbeit bemängelte und ein neues Gerichtsver-fahren veranlasste, in welchem Harry Wörz dann schlussendlich freigesprochen wurde. Der anschließende Zivilprozess zog sich weitere etliche Jahre, was Herrn Wörz die Möglichkeit nahm, sich ein neues Leben aufzubauen und mit seiner Vergangenheit abzuschließen. Durch die Fehler des Rechtsapparats wurde ihm sein altes Leben verbaut und ein neues erschwert. Obwohl er so gut wie keine Hilfe und keine Entschuldigung vom Staat bekam, begegnete uns ein offener und sympathischer Mensch, welcher kein Blatt vor den Mund nahm und sich nichts gefallen ließ. Im Laufe des Interviews merkte man deutlich, dass ihn seine Vergangenheit, ein scheinbar aussichtloser Kampf, immer wieder einholt und ihn bis heute immer noch sehr belastet. Zum Abschluss gab Herr Wörz uns folgende Lehre mit: „Mit einer Flügelfläche von 0,7 Quadratzentimetern und einem Gewicht von 1,2 Gramm kann eine Hummel nach den Gesetzen der Aerodynamik nicht fliegen. Sie weiß das nicht und fliegt trotzdem“ – wir sollen niemals aufhören zu kämpfen, auch wenn es aussichtlos erscheint.  
Am Mittwoch darauf bereiteten wir die Informationen auf und schrieben sie mit unseren gesammelten Eindrücken in Form eines Berichtes zusammen. Die eingefügten Bilder sind während unserer Arbeitsphase und dem Interview der ersten drei Tage entstanden.
(CHIARA KLEIN / GÖZDE KAPLAN/ HÜSEYIN ERDOGAN / JANA KAYA/ PAULINE PECKHART/ YANNIK CLAUS)

    

Trott!war – vom alltäglichen Trott zurück ins Leben
„Den alltäglichen Trott hinter sich lassen und den Weg aus dem Trott ins Leben finden.“ Diese Bedeutung steckt hinter dem Namen „Trott!war“; der „Trott war“ einmal. Doch was ge-nau ist Trott!war?
Im Rahmen unserer sozialen Woche an der Kaufmännischen Schule 1 haben wir eine Woche lang umfassende Informationen durch Vorträge, selbständige Arbeit und eine Stadtführung zu Trott!war erhalten.
Trott!war ist ein selbstfinanzierter, im Jahre 1994 von Journalisten und Privatleuten gegrün-deter Verein, der über 210 sozial bedürftige bzw. sozial benachteiligte Menschen unterstützt und ihnen die Möglichkeit bietet, ihr eigenes Geld durch Arbeit zu verdienen. Durch welche Projekte unterstützt Trott!war diese Menschen?
 

Vielen von uns ist die Straßenzeitung „Trott!war“ ein Begriff. Mit etwa 30 000 Auflagen machen sich die Trott!war-Verkäufer:innen in ganz Baden-Württemberg jeden Monat auf den Weg. Alle Trott!war-Verkäufer:innen bekommt zu Beginn ihrer Laufbahn zehn Exemplare der Zeitung als „Startkapital“. Alle weiteren Zeitungen erwerben die Verkäufer:innen für aktuell 1,40€ und können diese für 2,80€ an die Leser:innen verkaufen. Die verbleibenden 1,40€ sowie das Trinkgeld dürfen die Verkäufer:innen behalten. Es besteht bei hohen Verkaufszahlen die Möglichkeit, befördert, d.h. festangestellt zu werden.
Jedoch umfasst Trott!war weitaus mehr Projekte als die Straßenzeitung. Hierzu gehören Projekte wie alternative Stadtführungen, „Spende dein Pfand“, Grabführsorge und Wohnprojekte. Alleine durch die „Spende dein Pfand“-Aktion wurden fünf Vollzeitstellen geschaffen.
Weshalb werden aber Organisationen und Vereine wie Trott!war in einem Sozialstaat wie Deutschland überhaupt benötigt, obwohl es so viele unterstützende Maßnahmen gibt, die den Menschen ein sorgenfreies Leben ermöglichen sollen? Ganz so einfach ist das allerdings nicht, und viele Menschen haben trotz sozialer Hilfen Schwierigkeiten, im Leben Fuß zu fas-sen. Hauptgrund sind die steigenden Lebensunterhaltskosten, vor allem die hohen Miet- und Lebensmittelpreise, aber auch die aktuell steigenden Energiepreise.
Ebenso ist der psychologische Aspekt ist nicht zu verachten. Oftmals verspüren die Menschen eine Ablehnung von der „Außenwelt“ und ziehen sich so in ihre eigene Welt zurück. Dadurch ist der Weg in die Normalität ebenfalls erschwert.
Können auch wir die Menschen von Trott!war unterstützen?                                      

Durch ehrenamtliche Mitarbeit, Geld- und Sachspenden sowie Unternehmenssponsoring kann jeder Einzelne seinen sozialen Beitrag leisten. Doch manchmal reichen auch einfach nur ein paar nette Worte, die den Menschen das Gefühl geben, dazuzugehören.
Wir bedanken uns ganz herzlich, dass wir die Möglichkeit hatten, einen Einblick in die Arbeit und das Leben eines Trott!war-Verkäufers zu bekommen. (Verfasst von Lina Freitag, Dominic Kaiser, Eleftheria Leontiadou, Stephany Rica, Sophia Strifler)